Von den Anfängen als kleines schwäbisches Unternehmen in der Auftragssoftwareentwicklung bis zum börsennotierten, deutschlandweit aktiven IT-Dienstleister – DATAGROUP hat sich im Laufe der über 35-jährigen Geschichte immer wieder neu erfunden. Ein Gespräch mit Gründer Max H.-H. Schaber über die Geschichte des Unternehmens.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, eine eigene Firma zu gründen?
Die Frage bekommt vermutlich jeder Entrepreneur gestellt. Ich konnte mir nie vorstellen, dauerhaft Angestellter zu sein. Nach drei Jahren als Angestellter reifte in mir der Gedanke, das kann ich selbst besser. Hintergrund war die dadurch mögliche Selbstbestimmtheit und Freiheit!
Als Sie DATAGROUP gründeten, hatte das Unternehmen noch einen anderen Namen und andere Schwerpunkte. Welche waren das?
Das Unternehmen hieß damals Datapec, in Anlehnung auf die gerade auf den Markt gekommenen Personal Computer. Der Schwerpunkt, den Datapec damals hatte, war Auftragssoftwareentwicklung. Wir haben individuell für Kunden Probleme gelöst und auf Basis von unterschiedlichen Programmiersprachen Software geschrieben. Wir haben relativ schnell sehr große Auftraggeber wie Audi und AEG gewonnen und etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt.
Dabei blieb es jedoch nicht. Wohin hat sich das Unternehmen gewandelt?
Insgesamt hat sich das Unternehmen mehrmals neu erfunden. Zuerst war der Schwerpunkt die Auftragssoftware. Dann haben wir ein neues Geschäftsmodell entwickelt. Wir wurden ein so genannter Inkubator. Wir haben uns Menschen am Markt gesucht, die schon Erfolg in der IT hatten, zum Beispiel als Geschäftsführer oder technische Leiter von Software- oder Handelsunternehmen. Denen haben wir eine Plattform geboten, um sich für kleines Geld an neu gegründeten Firmen zu beteiligen. Bevor es den Begriff in Deutschland gab, haben wir bereits eine Start-up-Kultur entwickelt. Aber anders als heute haben wir die Infrastruktur und all die Dinge, die für Gründer oft lästig sind, übernommen. Zum Beispiel Gehaltsabrechnung, Umgang mit Banken, wie funktioniert Marketing etc. Wir haben Geld und Infrastruktur gegeben und waren damit sehr erfolgreich. Insgesamt haben wir mehr als zehn Firmen gegründet, von denen einige außerordentlich erfolgreich geworden sind.
Eine dieser Firmen war eine Handelsgesellschaft, die bereits nach wenigen Jahren mit Niederlassungen in sechs Ländern fast 100 Millionen DM Umsatz gemacht hat. Das Unternehmen hat aus den USA Computer gekauft und in Europa an Universitäten über Kataloge verkauft. Wir waren damit eines der eCommerce Vorläuferunternehmen. Das Unternehmen haben wir verkauft, als die Hardwaremargen stark sanken.
Und dann?
Danach haben wir uns wieder der Softwareentwicklung gewidmet, diesmal im Gesundheitsbereich. Als KIS (Krankenhaus Informationssysteme GmbH) haben wir gemeinsam mit Hewlett Packard und Anderson Consulting ein Hospital Information System entwickelt. Es war das erste System auf Basis einer relationalen Datenbank. Das war noch bevor Oracle auf den Markt kam. Das Neuartige daran war, dass man in der Lage war, die wirklichen Produktionskosten im Krankenhaus zu ermitteln, also wieviel kostet ein Fall. Wir hatten fast 100 Mitarbeiter, damals schon in Pliezhausen, 36 Krankenhäuser als Kunden und keine fremden Investoren. Durch Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung waren die Krankenhäuser verunsichert und ließen eine Zeit lang nicht weiter investieren. Wir haben dann – tatsächlich viel zu spät – einen Partner gesucht und in Jenoptik auch gefunden. Wir befanden uns in einer Drucksituation, die das Gleichgewicht zu Gunsten des Käufers verschoben hat und mussten das Unternehmen ohne großen Gewinn verkaufen. Es war eine sehr bittere Zeit in meinem Unternehmerleben.
Sie haben aber nicht aufgegeben, sondern mit DATAGROUP weitergemacht. Wie kam es dazu?
Wir besaßen zuvor bereits etliche Firmen, die im Umfeld der heutigen DATAGROUP tätig waren. Durch Zukäufe bildeten wir ein Unternehmen mit dem Schwerpunkt Systemhaus. Das haben wir an die Börse gebracht, von Anfang an mit dem Ziel, eine aktive Konsolidierungsrolle am Markt zu spielen.
Was hat Sie dazu bewogen, als mittelständisches schwäbisches Unternehmen an die Börse zu gehen?
Kapitalbeschaffung. Durch die Erfahrung mit KIS und diesen bitteren Verkauf wussten wir, wie es ist, wenn einem das Geld ausgeht. Damit das nicht noch einmal passiert, stellten wir unsere Finanzierung auf breitere Beine. Ein Börsengang ermöglicht bessere Kapitalbeschaffung.
Wann kam der Wandel vom Systemhaus hin zum IT-Dienstleister? Welche Gründe lagen dahinter?
Als wir damals an die Börse gingen, haben wir mit dem Systemhausgeschäft ungefähr 26 Millionen Euro Umsatz gemacht. Wir haben gutes Geld verdient, aber 80 % unseres Umsatzes kam aus dem Handelsgeschäft. Ich habe schon früh erkannt, dass der Handel immer mehr unter Druck geraten wird, was die Margen betrifft. Das hat sich auch gezeigt, als Firmen wie Bechtle, Computacenter und Cancom sich auf den Handel konzentrierten, immer größer wurden und immer mehr auf die Marge drückten. Sie hatten bei den Herstellern ein ganz anderes Gewicht. Diesen Margendruck habe ich vorhergesehen und gedacht: Es kann nicht sein, dass wir mit zwei, drei Prozent vor uns hinkrebsen. Wir brauchen eine höhere Rendite, höhere Kundentreue – ich sage hier gerne Klebrigkeit – und müssen für unsere Kunden zu einem unverzichtbaren, nicht so leicht austauschbaren Bestandteil seiner Leistungserbringung werden.
Wir wollten wachsen und zwar als aktiver Konsolidierer im Markt und gleichzeitig unser Geschäft umbauen vom handelsorientierten hin zum ausschließlich dienstleistungsorientierten Geschäft. Das war nicht einfach, ich musste mich auch intern sehr durchsetzen.
Aus dieser Erfahrung heraus – was ist wichtig, damit der Wandel gelingt?
Zuallererst braucht man ein Ziel, eine Vision: Wo will man hin? Sich wandeln um des Wandels willen macht keinen Sinn. Veränderung macht nur Sinn, um ein Ziel zu erreichen.
Der zweite wichtige Punkt ist eine klare Struktur, wie dieser Wandel vor sich gehen soll, also was für Schritte sind dafür notwendig. Ein Herunterbrechen der Vision auf einzelne Schritte nach dem Motto: Wenn du einen Berg besteigen möchtest, mach das Schritt für Schritt.
Der dritte Punkt, den ich für unabdingbar halte, ist dranbleiben. Die Strategie überprüfen, das Ziel überprüfen, kontinuierlich verbessern, iterativ die Themen lösen. Heute würde man dazu sagen, man muss agil sein.
Was waren für Sie die größten Veränderungen, die DATAGROUP in der über 35-jährigen Geschichte mitgemacht hat?
Ganz sicher die Entwicklung von CORBOX. Wir hatten zum ersten Mal ein Ziel, auf das alle im Unternehmen eingeschworen werden konnten. Wir hatten eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Produktwelt, hinter der alle stehen konnten.
Welche Veränderungen laufen bei DATAGROUP aktuell?
Das Unternehmen wird von einer rein fraktalen, also verteilten Organisation teilweise rezentralisiert. Das heißt, wir bündeln zentralisierbare Services, wie zum Beispiel HR, Finanzen oder Data Center in Shared Services Centern über sogenannte Change-Prozesse. Das Projekt SQUARE war einer dieser Changes.
Auch die IT-Branche ist von Wandel geprägt. Welche Themen werden die Branche künftig am meisten verändern?
Der Trend hin zu as-a-Service wird immer stärker werden. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es in fünf Jahren keine Commodity Software als Lizenz mehr gibt. Außerdem wird sich sicher der Trend zu Multi-Cloud-Umgebungen und hybriden Cloud-Umgebungen weiter verstärken.
Man kann Sie sicher als Serial Entrepreneur bezeichnen, der den Wandel lebt und vorantreibt. Was muss man hierfür mitbringen?
Ich habe ganz sicher extreme Steherqualitäten. Damit meine ich, dass ich nicht aufgebe. Ich habe sicher als Ingenieur auch die Fähigkeit, mir die Dinge im Detail anzusehen, um dann für mich zu beurteilen, ob ich da rein will. Es ist die Fähigkeit, wach zu sein, interessiert zu sein. Wenn meine Kinder gefragt haben: Was müssen wir lernen, um so erfolgreich zu sein wie du, habe ich immer gesagt: Ihr müsst es aushalten, zehnmal am Tag zu Boden zu gehen und ein elftes Mal aufzustehen.
Wie sehen Sie Ihre Zeit nach DATAGROUP?
Zur Zeit entwickle ich für meine Zeit nach DATAGROUP eine Gruppe von Tiefbauunternehmen, die die letzte Meile Glasfaser zum Kunden verlegt, also Kommunikationsinfrastruktur. Hier habe ich vor kurzem ein Unternehmen gekauft, das den Kern meiner Buy and Build-Strategie in dem Bereich sein wird. Auch bin ich wieder im Health Care Software-Bereich engagiert, aber das fällt alles in den Bereich, in dem ich als Investor tätig bin.
Wie sehen Sie die Zukunft von DATAGROUP?
Natürlich befindet sich die gesamte Wirtschaft gerade in einer schwierigen Situation. Wir sind jedoch in genau dem richtigen Marktsegment unterwegs, haben ein sehr gutes Portfolio und hervorragende Beziehungen zu unseren Kunden. Ich glaube daher, dass wir erst am Anfang unseres großen Erfolgs stehen. Die Zukunft von DATAGROUP sehe ich daher rosig, sonnig, sehr erfolgreich.
Herr Schaber, vielen Dank für dieses Gespräch!