Mitte des 19. Jahrhunderts blickten Stadtplanerinnen in New York sorgenvoll in die Zukunft. Immer mehr Menschen lebten in der Stadt und immer mehr von ihnen verwendeten Pferde zum Transport. Wenn das so weiter ginge, so die Befürchtung, würde die Stadt bald in Pferdemist versinken. So weit kam es nicht, die Erfindung des Autos löste das Problem. Einige Jahrzehnte später blicken Stadtplanerinnen wieder sorgenvoll auf die zunehmende Zahl an Autos, die zahlreiche Probleme auslösen – Parkplatzknappheit, volle Straßen und natürlich Umweltverschmutzung.
Zukunftsprognosen sind ein notorisch schwieriges Geschäft, denn die Menschen nehmen als Basis aktuell vorhandenes Wissen und projizieren es in die Zukunft. Neue Erfindungen und Entwicklungen, die noch gar nicht eingetroffen sind, sind schwer in solche Kalkulationen mit aufzunehmen. Und dasTempo der Entwicklung steigt. Zwischen dem ersten Flug der Gebrüder Wright 1903 und der Mondlandung 1969 lagen nur 66 Jahre, aber beeindruckende technologische Fortschritte. Zum Vergleich: In den 1690er Jahren entstanden die ersten Dampfmaschinen, die erste Eisenbahn fuhr hingegen erst 1825 – das sind über 100 Jahre Unterschied.
Es ist daher verständlich, dass Zukunftsprognosen oft daneben liegen. In Erinnerung bleiben den Menschen vor allem die spektakulären Fehlprognosen. Doch wie immer kann man aus der Geschichte einiges über die Zukunft lernen.
Bei Fehlprognosen gibt es zwei Richtungen: Übertriebener Optimismus oder übertriebener Pessimismus. Letzteres zeigt sich insbesondere dann, wenn neue Technologien komplett unterschätzt werden und das teilweise von den Menschen, die bedeutend involviert sind. So sagte beispielsweise Gottlieb Daimler: »Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.« Allein in seiner Heimatstadt Stuttgart waren 2019 über 300.000 Autos zugelassen. Der Mangel an Chauffeuren trat nie in Erscheinung – stattdessen wurde jeder sein eigener Chauffeur.
Berühmt geworden ist auch die Prognose von Thomas Watson von IBM, der 1943 prophezeite: »Ich denke, dass es weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer gibt.« Es kam anders. Zu der Zeit jedoch waren Computer riesige Maschinen, die ganze Hallen an Platz benötigten, also nicht gerade etwas, das sich Millionen von Menschen in die eigene Wohnung stellen würden.
Das Internet war eine weitere Technologie, an der sich die Geister schieden. Während es für die einen die Zukunft darstellte, waren andere skeptischer. So sagte Ron Sommer, der ehemalige Chef der Telekom 1990 »Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft.« Heute spielt das Internet hingegen eine zentrale Rolle, die Anwendungsgebiete haben sich immer mehr erweitert und die Technologie, die als Plattform für Wissenschaftler begann, durchzieht immer mehr Aspekte unseres täglichen Lebens. Ob es sich um das Internet, den Computer oder das Automobil handelt – als die Technologien das erste Mal auftraten, war den meisten Menschen nicht bewusst, wofür sie verwendet werden konnten. Erst nach und nach wurden immer mehr Einsatzgebiete erobert, bis sie schließlich dominant wurden.
Nicht jede neue Technologie wird unterschätzt. Oft stellen sich Zukunftsprognosen auch als sehr optimistisch heraus. Wer erinnert sich nicht an den Hype um Produkte wie 3D-Kino für daheim oder Smart Glasses? Letztendlich haben sich diese Technologien aber nicht durchsetzen können. Andere Technologien, wie etwa das Hoverboard aus »Zurück in die Zukunft« wurden in komplett anderer Form umgesetzt als ursprünglich gedacht (oder erhofft). Bei anderen wiederum stellt sich im Laufe der Entwicklung heraus, dass die Herausforderungen größer sind als gedacht und sie nicht so schnell umgesetzt werden können wie geplant. Fusionstechnologie oder auch Kolonien auf anderen Planeten gehören zu den Technologien bzw. Entwicklungen, die ursprünglich viel früher erwartet wurden, bei denen die Fortschritte aber langsamer kommen.
Letztendlich wird es immer Technologien geben, die wider Erwarten zum großen Erfolg werden und solche, die trotz großer Hoffnungen entweder scheitern oder einfach länger dauern als geplant. Ohne Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren, kann es keinen Fortschritt geben. Was man aber aus der Geschichte lernen kann ist, dass man Prognosen mit Vorsicht genießen sollte.
Dieser Artikel ist Teil unseres DATAGROUP Magazins zum Thema „Zukunft“.